Frank Baquet, Künstler-Fotograf versucht mit seinen Bildern die Fotografie neu zu definieren. Fotografie ist für ihn ein Medium, mit dem er seine künstlerischen Ideen Gestalt werden läßt. Die Kamera ermöglicht ihm seine subjektiven Vorstellungen aus der objektiven Realität heraus zu gewinnen - Vorstellungen, die mit konventioneller Fotografie unmöglich Gestalt annehmen können.
Die Auseinandersetzung eines Künstlers und seiner Subjektivität mit dem Gegenstand seiner Beobachtung, nämlich das Verhältnis zwischen Subjekt und Objekt - einer der problematischsten philosophischen Auseinandersetzungen der Kunstgeschichte - wird in Baquet´s Arbeiten auf eine verblüffende Weise bildlich dargestellt. In seinen Arbeiten sind Fotopapier und schwarz-weiß Bild vielleicht noch die einzige Verbindung zur konventionellen Fotografie.
Der Betrachter wird gegenüber seinen Bildern umgehend mit der Frage konfrontiert wie die Bilder entstanden sind, wo und was ist fotografiert? Die meisten Betrachter seiner Bilder, die ich bis jetzt getroffen habe glauben, daß die Arbeiten im Labor durch eine Art Zufallsmalerei mit chemischen Mitteln - wie Entwickler, Fixierer usw. - entstehen. Eine unvermeidliche Vorstellung, die nicht unbegründet ist, assoziieren die Bilder im ersten Augenblick doch mehr informelle Malerei als Fotografie im üblichen Sinne. Aber mit genauerem Betrachten der Bilder und ihren abwechslungsreichen Formen, Strukturen und ihrer atmosphärischen Vielfalt fragt man sich, ob es für die Subjektivität eines Künstlers - und zwar nach einem Zufallsprinzip - überhaupt möglich ist, solch einer Vielfalt und kombinatorischen Verschiedenheit der Elemente und Dimensionen zu erreichen?
Der scharfsinnige Betrachter wird eine schemenhafte Vermutung haben, daß die Bilder wahrscheinlich doch etwas Reales darstellen. Obwohl man nur selten die Elemente, Gegenstände oder Räumlichkeiten identifizieren kann, aber die spürbare Anwesenheit einer objektiven Realität unterstützen diese Vermutung.
In Baquet´s Arbeiten haben wir es im Grunde mit einer "relativen Realität" zu tun, die trotz ihres objektiven Vorhandenseins, objektiv nicht zu erfassen ist. Die Wiedergabe solch einer Realität, die praktisch nicht mit mechanischem Sehen erfassbar ist, wird mit Baquet´s scharfem Blick und präzise durchdachter Hilfe der Kamera ermöglicht. Was unser normaler Blick nicht zu sehen vermag, ist der Raum zwischen den Dingen. Nicht der leere Raum zwischen den Dingen, sondern der verbindende Raum. Wenn erst einmal dieser Raum spürbar und von uns erfaßt wird, wird unsere Beziehung zu den Dingen und unsere Empfindung gegenüber der Realität sich bereichern.
Die fotografischen Bilder von Frank Baquet, mit der andersartigen Darstellung der Realität und den Spuren des alltäglichen Lebens sind ein Hinweis auf andere Erkenntnismöglichkeiten der selben Realität, womit die Grenze zwischen Subjekt und Objekt in Frage gestellt bzw. aufgehoben wird.
Hier wird deutlich, daß die eigentliche Motivation für Baquet´s fotografische Arbeit die Suche nach Räumlichkeit ist, die zwar existiert, aber nicht gesehen wird. Seine ganze Bemühung konzentriert sich darauf, künstlerische Lösungen zu finden, die die Darstellung eben dieser Räumlichkeit ermöglichen.
Die meisten seiner Motive sind große Glasscheiben an Bushaltestellen, Plakatreste, Kleber, Schriften, Graffitis und alles, was sich über Jahre verursacht durch Passanten und Wartende auf diesen Scheiben angesammelt hat.
Aber im Gegensatz zur herkömmlichen Fotografensicht beschränkt sich Baquet nicht nur auf die Scheibenoberfläche, sondern verbindet vielmehr die Realität der Oberfläche mit der Realität, die sich hinter den Scheiben abspielt. Die daraus entstehende "dritte Realität" ist die des Bildes, das zwei voneinander entfernt stehende Realitäten in sich vereint wie es das menschliche Auge niemals könnte.
Ein Bild, das einen objektiven Ursprung beinhaltet, aber die Grenze unserer konventionellen Vorstellung von objektiver Realität überschreitet und auf die unbegrenzten und ungeahnten Möglichkeiten dieser Realität hinweist; eine Realität, die so nur mit fotografischen Mittel und dem inneren Auge des Künstlers erfassbar ist.
Aus KHAT Nr. 6/7 Review of Art and Culture (Orginaltext auf persisch) von Masoud Sadedin
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